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Capabilities – Best Practices

Capability Management: Businessziele brauchen Fähigkeiten

Capability Management macht die Unternehmen im Tagesgeschäft und in Krisensituationen handlungsfähiger. Außerdem hilft es bei der Entwicklung und Umsetzung passender Strategien und der Implementierung von Digitalisierungsprojekten. Das zumindest postuliert die Theorie. Das CBA Lab hat mit Hilfe von 17 Experteninterviews aus neun Branchen eruiert, ob die theoretischen Vorteile des Capability Management sich auch in der Unternehmenspraxis manifestieren. Außerdem zeigt das CBA Lab auf, in welchen Einsatzbereichen es den meisten Mehrwert bringt und wo die typischen Stolperstellen bei der Implementierung liegen.

Die Grundidee ist einfach: Deine Fähigkeiten entscheiden darüber, ob du deine Ziele erreichen kannst. Oder andersherum gedacht: Um bestimmte Ziele zu erreichen, brauchst du bestimmte Fähigkeiten. Dieser Logik folgt auch der Capabilities-Ansatz in Unternehmen. Allerdings ist es in (großen) Organisationen deutlich komplexer, Transparenz über die vorhandenen Capabilities zu erlangen. Deshalb werden sie dort kategorisiert und in sogenannten Capability Maps visualisiert, um einen besseren Überblick zu erhalten.

Diese Transparenz ist besonders hilfreich, wenn sich das Unternehmen neue oder veränderte Ziele setzt. Dann lässt sich sehr leicht erkennen, ob das Unternehmen überhaupt das passende Set an Fähigkeiten hat, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Wenn diese nicht oder teilweise nicht vorhanden sind, können sie gezielt entwickelt werden, wenn das zu erreichende Ziel wichtig genug ist, um den Aufwand zu rechtfertigen.

Der Vorteil ist der siloübergreifende Ansatz

Der Vorteil des „Capability-Vorgehens ist sein silo- und „organigramm“-übergreifender Ansatz. „Es wird nicht gefragt, ob in der Abteilung XY oder in der Division Z eine bestimmte Fähigkeit – zum Beispiel direkte Online-Ansprache von Endkunden – vorhanden ist, sondern es wird gefragt, ob sie überhaupt vorhanden ist und in welchem Reifegrad“, erklärt Uwe Weber, Botschafter des CBA Lab und Mitautor des Whitepapers, das die gleiche Bezeichnung trägt wie der zugrunde liegende Worsktream „Capabilities – Best Practices“.

Der übergreifende Ansatz sorgt nicht nur für eine höhere und schneller erzielbare Transparenz über vorhandene und noch zu erwerbende Capabilities. Er kann, bei guter Implementierung, auch für ein besseres gemeinsames Verständnis von IT und Business und der benötigten Fähigkeiten führen. Das setzt allerdings voraus, dass beide Bereiche den Capability-Ansatz nutzen und die Fähigkeiten in der gleichen Sprache beschreiben.

Bei sich schnell ändernden Anforderungen und einer großen Menge nötiger Veränderungen funktioniert der Abgleich zwischen (Business-)Zielen und vorhandenen/benötigten Fähigkeiten deutlich schneller als mit herkömmlichen Analyse- und Planungsmethoden. Außerdem besteht beim Capability-Management kein Auffassungs- und Sprach-Disjunkt zwischen IT und Business.

Es wird nicht gefragt, ob in der Abteilung XY oder in der Division Z eine bestimmte Fähigkeit – zum Beispiel direkte Online-Ansprache von Endkunden – vorhanden ist, sondern es wird gefragt, ob sie überhaupt vorhanden ist und in welchem Reifegrad.
Uwe Weber, Mitautor

Mehrwert in vielen Anwendungsszenarien

Konkret kann Capability Management zum Beispiel in folgenden Anwendungsfällen Mehrwert schaffen:

  • Demand Management: Umfassende Ressourcenplanung und Bedarfsanalyse. Gezielte Steuerung der Ressourcen innerhalb des Unternehmens. Nutzung von Synergien zur Kostenreduktion. Das ist weit über die IT hinaus anwendbar. Wenn ein neues Produkt gefertigt werden soll, stellt sich zum Beispiel immer die Frage, was ist bereits vorhanden, was wird zusätzlich benötigt.
  • Plattformstrategien: Fachliche Beschreibung der Plattformen, Integration bestehender Services. Nutzung von Synergien bestehender Services. Das ist gerade bei lose gekoppelten Systemen und bei Microservices extrem hilfreich, bei denen schnell der Überblick über die vorhandenen Fähigkeiten verloren gehen kann.
  • IT-Bebauungsplanung: Strukturierung und Bewertung der geschäftsunterstützenden IT und Infrastruktur. Eine Aufstellung der benötigten Fähigkeiten macht das „Onboarden“ der Businessseite deutlich einfacher.
  • Referenzmodellierung: Standardisierung im eigenen Unternehmen oder die Ausgründung von Unternehmen nach der Blaupause einer Reference Capability Map strukturieren. Der geschärfte Blick auf die eigenen Fähigkeiten macht fehlende Capabilities bei Unternehmen, die erworben werden sollen, sehr viel schneller sichtbar.
  • Szenarioanalyse: Mithilfe von Szenarioanalysen lässt sich die strategische Entwicklung der eigenen Business Capabilities priorisieren und so das Unternehmen erfolgreicher machen.
  • Innovationsmanagement: Fachliche Strukturierung kann zum Beispiel  ein umfassendes Bild über den Stand der Digitalisierung liefern – sehr wichtig, wenn neue Digitalisierungsprojekte geplant werden.
  • M&A Bewertung: Schneller und umfassender Vergleich von Fähigkeiten zu kaufender oder gekaufter Unternehmen. Schnelle Identifizierung von Redundanzen.
  • Wettbewerbsdifferenzierung: Mit verschiedenen Methoden die eigenen Kernkompetenzen und zukunftsfähigen Fähigkeiten identifizieren. Das klingt trivial, doch wenn sich ein Unternehmen in einem Markt mit vielen ähnlichen Wettbewerbern befindet, ist es zum Beispiel für die Kommunikation der eigenen Stärken an seine Kunden sehr gut, wenn diese treffend beschrieben sind.

Erfahrung bei Aufbau und Zuschnitt ist gefragt

Beim Aufbau und Zuschnitt von Capabilities sind Erfahrung und Kommunikationsfähigkeiten dringende Voraussetzungen. Es gibt drei wesentliche Ansätze, mit denen sich Capabilities fassen und strukturieren lassen: Top-Down, Bottom-Up und Bi-Modal. Die Erfahrungen der am CBA Lab-Workstream beteiligten Unternehmen belegen, dass der bi-modale Ansatz der am besten geeignete ist, um Capabilities möglichst genau zu beschreiben und in einer Capability Map zu strukturieren. Die am stärksten abstrahierten Capability Level 0 und 1 weisen unternehmensübergreifend noch kein starkes Differenzierungspotenzial auf. Häufig sind die Bezeichnungen auf Level 0 wie „Kunde & Produkt“ oder „Risk Management“ deckungsgleich mit den Bezeichnungen für die Domänen eines Unternehmens. Ähnlich verhält es sich auf Level 1 mit Bezeichnungen wie „Marketing“ oder „Vertrieb“. Diese Capabilities lassen sich leicht vom Top-Management vorgeben.

Erst wenn es auf die höheren Ebenen 2 bis 5 geht, wird die Differenzierung stärker. Während zum Beispiel die Capability „Sales Management“ auf Level 0 noch allgemein gültig scheint und für die Bezeichnung „Acquisition & Sales“ auf Level 1 auch in unterschiedlichen Unternehmen die Verantwortlichen ähnliche Fähigkeiten versammelt sehen, können die dazugehörigen Fähigkeiten auf Level 2 „Sales Negotiation“, „Quote Generation“ oder „Sales Processing“ schon sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Bei der Festlegung dieser Level empfehlen die Mitglieder des Workstreams daher, die direkt Verantwortlichen einzubeziehen und ihnen zumindest ein Vorschlagsrecht einzuräumen.

Die folgenden Leitfragen helfen bei der Formulierung und Abgrenzung der Capabilities voneinander:

  • Wie (fein)granular brauche ich die Capabilities?
  • Wie lautet die konkrete Fragestellung, die ich modellieren will?
  • Wie groß ist mein Unternehmen?
  • Was ist meine Idee zur Strukturierung?
  • Wo kann die Verwendung von Standard-Capabilities eingesetzt werden?
  • Was gehört fachlich zusammen und was nicht?
  • An welchen Stellen wird eine besonders hohe Flexibilität benötigt?

So wenige Maps wie möglich

Weil das Definieren der Capabilities und ihre Strukturierung durchaus ein langatmiger Prozess sein können und eine unternehmenseinheitliche Capability Map sehr viel effizienter eingesetzt werden kann als viele verschiedene Maps, raten die Workstream-Mitglieder dringend dazu, nicht für jeden neuen Anwendungsfall eine individuelle Map aufzubauen, sondern die vorhandene Unternehmens-Map zu nutzen und sie nur wo nötig auszubauen.

Dos and Don’ts

Im Workstream wurde intensiv über die Dos and Don’ts des Capability Managements diskutiert. Hier einige Erkenntnisse der Arbeitsgruppe aus den verschiedenen Phasen des Capability Management:

In der Phase „Entwicklung“ rät die Arbeitsgruppe zum Beispiel von Folgendem ab:

  • Baue nicht für jede Fragestellung eine neue Capability Map, sondern entwickle mit dem Ziel einer übergreifenden Capability Map für das gesamte Unternehmen und erstelle Detaillierungen nur, wenn sie Mehrwert erzeugen. „Wenn Unternehmen das nicht beherzigen, verzetteln sich die Akteure und werden irgendwann einfach nicht mehr verstanden“, erläutert Uwe Weber dieses „Don´t.
  • Entwickle die Business Capabilities nicht entlang der bestehenden Organisationsstruktur oder der existierenden Applikationslandschaft, sondern betrachte sie zunächst unabhängig davon. „Wenn man sich nach den Vorgaben von Organisationsstruktur oder Applikationslandchaft orientiert, bekommt man mehr vom Gleichen, aber keine siloübergreifende Tranzparenzschicht“ erklärt Weber.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt dagegen beispielsweise Folgendes:

  • Halte die Business Capabilities und die Methodik so einfach wie irgend möglich. Weber dazu: „Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit sind das A und O, wenn das Capability Management gelebt werden und keine Trockenübung bleiben soll."
  • Es müssen die richtigen Stakeholder zum richtigen Zeitpunkt eingebunden werden. Weber erklärt dazu: „Wenn ich zum Beispiel auf der generalistischen Ebene Fachexperten einbinde, bekomme ich niemals hochabstrakte Capabilities zustande, die für eine ganze Domain stehen können. Und wenn ich umgekehrt auf der Detailebene Vorstände einbinde, bekomme ich niemals eine ausreichende fachliche Beschreibung der gewünschten Fähigkeit.“

In der Phase „Verwendung“ rät die Arbeitsgruppe zum Beispiel von Folgendem ab:

  • Fokussiere dich in Projekten nicht auf die Erklärung, sondern auf die Anwendung und den Mehrwert von Capabilities. Weber interpretiert das so: „Wenn die Akteure Bereiche von dem Capabilities-Ansatz überzeugen wollen, sollten sie am besten erklären, wofür sie gut sind und was sie bringen, nicht so sehr was sie im Einzelnen bedeuten.“

In der Phase „Governance“ rückt die Arbeitsgruppe zum Beispiel von starren Gremien ab:

  • Bespreche Veränderungen nicht in starren Gremien. „Feste Gremien sind hier nicht angebracht, Communities aus Leuten, die mit den Capabilities direkt zu tun haben, sind hier viel effizienter“, erläutert Weber dieses Don´t.

Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation

Für die Akzeptanz des Capability-Ansatzes ist die richtige Kommunikation der entscheidende Faktor. „Ohne das richtige Kommunikationskonzept und seine saubere Umsetzung besteht das Risiko, dass das Capability Management zu einer Sammlung bunter Bilder in der Schublade verkommt“, erklärt Uwe Weber.

Dafür hebt der Workstream vier Best Practices hervor:

1.     Verwendete Begriffe nachvollziehbar definieren, erläutern und klar abgrenzen – Es ist essenziell, das Verständnis für Capabilities sicherzustellen und Definitionen möglichst klar, eindeutig, einfach und verständlich zu halten. Ein zentraler Aspekt für die Eindeutigkeit von Begriffen ist die Abgrenzung von Capabilities zu Prozessen und Organigrammen. Fachbereiche beziehen sich häufig auf Prozesse (wie wird etwas gemacht) oder auf Organigramme (von wem wird etwas gemacht). Capabilities bringen eine eher generalistische Sicht und beschreiben, WAS das Unternehmen überhaupt macht.

2.      Am Anfang einfach halten und später weiter ausbauen – Das Capability Modell sollte zunächst einfach aufgesetzt und erst später – wenn die Grundzüge allgemein verstanden sind – mit weiteren Artefakten oder Objekten erweitert werden.

3.     Capabilities selbsterklärend gestalten – Das Konzept des Capability Management bietet bereits die Begrifflichkeiten und Abgrenzungen, die für eine Definition benötigt werden. der Workstream empfiehlt, Capabilities maximal selbsterklärend und mit möglichst klarem, interpretationsfreiem Vokabular zu beschreiben, sodass sich die Nutzenden schnell darin zurechtfinden können.

4.     Immer den Kontext definieren – der Kontext zur Verwendung von Capabilities muss geklärt und definiert sein.